Simone Veil

Vom Überleben der Erinnerung

 

Sechzig Jahre nach seiner Verhaftung und nach seiner Deportation beschloss Paul Schaffer seine Geschichte aufzuschreiben, die sie jetzt lesen werden und die trotz ihrer Einzigartigkeit beispielhaft ist. Beispielhaft, weil die Ereignisse, die sein Leben erschütterten, in gleicher Weise das Leben zahlreicher Heranwachsender erschütterte, die die Deportation überlebten, deren Familien aber meist vollständig ausgelöscht wurden, nur weil sie jüdisch waren.

Aus Frankreich wurden  76 000  Juden deportiert, weniger als  2551  kehrten zurück, von denen die meisten junge Frauen oder junge Männer waren. Nach der Rückkehr aus den Lagern trafen sie ihre Familie und Freunde nicht mehr an. Sie hatten kein Geld und auch keine persönlichen Erinnerungsstücke an ihr vorheriges Leben. Wenn es nicht die Deutschen waren, die die Wohnungen ihrer Eltern vollständig ausgeräumt hatten, so hatten sich die Nachbarn bedient.

Ihre einzigen Andenken waren in ihren Herzen und in ihren Köpfen: das frühere Glück, eine behütete Kindheit, die durch die Deportation brutal abgebrochen und durch das Verschwinden aller ihrer Lieben in den Gaskammern endgültig beendet wurde. Zu den guten Erinnerungen kamen die schlechten, die an Übergriffe und Gewalt, an die Unmenschlichkeit der Welt der Konzentrations- und Vernichtungslager, aus der sie wie durch eine Wunder herausgekommen waren.

Sie hatten keine herkömmliche Schullaufbahn und waren zu jung für eine Berufsausbildung gewesen. Für Ersatz mussten sie selber sorgen, genauso wie für die Wiedereingliederung in ein bürgerliches Leben. Es war nicht einfach, in ein normales Leben zurückzukehren, nicht einmal den Anschein von Normalität hervorzurufen.

Oft haben sie sehr schnell eine Familie gegründet, selbst wenn sie wussten, dass diese niemals diejenige ersetzten konnte, die im Strom der Geschichte untergegangen war. Um wieder Geschmack am Leben zu finden, brauchten sie eine Atmosphäre der Geborgenheit und des persönlichen Glücks. Sie suchten das wiederzugewinnen, was sie vorher kennengelernt hatten. Trotzdem hat die Erinnerung an ihre schmerzliche Vergangenheit niemals aufgehört die Überlebenden heimzusuchen, selbst wenn sie lange Zeit kaum darüber gesprochen haben.

Wenn einige es vorgezogen haben, ihr Schweigen zu wahren, so mag es daran liegen, dass sie sich nicht in der Lage sahen, Vergangenheit und Gegenwart in Übereinstimmung zu bringen, und dass sie die Last ihrer Erinnerung nicht auf ihre Angehörigen übertragen wollten. Andere wurden zum Schweigen gebracht, weil sie nach ihrer Rückkehr auf Unglauben oder Gleichgültigkeit stießen. Hinter dieser Gleichgültigkeit verbarg sich in Wirklichkeit die Schwierigkeit der „anderen“ die Distanz und das Unverständnis zu überwinden, dass sie von den Heimkehrern trennte. Eine scheinbar unüberwindliche Mauer entstand so zwischen ihnen und den ehemaligen Deportierten, die aus einer Welt zurückgekommen waren, die nichts Menschliches mehr hatte, von denen man sagen könnte, sie wären auf der andern Seite der realen Welt gewesen.

So blieb dieser Teil der Geschichte während langer Jahre nur unter uns, den ehemaligen Deportierten, lebendig. Wir trafen uns und redeten unermüdlich über das, was uns zugestoßen war - in einer mehr oder weniger verschlüsselten Sprache. Wieder und wieder haben wir über unsere Erinnerungen gesprochen, die Geschwisterlichkeit wiedergefunden, die uns ermöglichte, zu überleben, die grausamsten Momente heraufbeschworen, uns oft darüber lächerlich gemacht - auch unter uns war das die einzige Art und Weise, überhaupt darüber reden zu können. Die Deportation hat das Gefühl entstehen lassen, zu einer anderen, einer fremden Welt zu gehören. Was immer auch unsere Gegensätze und Unterschiede sein mögen, unsere gemeinsam erlebte Erfahrung führt dazu, dass wir das Leben aus einem anderen Blickwinkel sehen als die anderen Menschen.

Die Jahre sind vergangen, die Zeiten haben sich geändert. Neue Generationen kamen. Sie sind besser als wir selbst im Zuhören, weil sie weniger direkt betroffen sind. Sie sind neugierig, und sie brachten uns zum Reden. Als wir älter wurden, wurde uns bewusst, dass es eine Notwendigkeit ist, was wir als Zeitzeugen gesehen und erlebt haben weiter zu vermitteln, damit es seinen Platz in der Geschichte einnimmt. So haben wir die Herausforderung zu reden angenommen: auch angesichts unserer Kameraden, die unter unsäglichen Bedingungen starben - damit man sie nicht vergisst. Auch wenn unsere Berichte lange Zeit verschmäht gewesen sind und von den meisten Historikern zurückgewiesen wurden, weil die einzelnen Opfer notwendigerweise nicht die ganze Wahrheit wissen können, und sie von daher als unglaubwürdig eingestuft wurden, so gibt es doch mehr und mehr ehemalige Deportierte, die das Wort oder die Feder ergreifen.

Der Wunsch, auf die Verbreitung der These Auschwitz und die Shoah habe es nie gegeben, zu antworten, ist ein Motiv die Aussagen der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu sammeln, solange es noch Zeit ist. Ein anderes Motiv ist das Anliegen, die Darstellung der Shoah nicht nur Filmen und Romanen zu überlassen, die sich mitunter doch recht weit von der Wirklichkeit entfernen. Verschiedene Organisationen bemühen sich nun um die Dokumentation und Verleger sind eher bereit, die Berichte auch zu veröffentlichen.

Für Paul Schaffer war es vor allem Pflichtbewusstsein, das ihn dazu brachte, sein Werk zu schreiben und zu vollenden, wie groß auch immer die Schwierigkeiten und die Schmerzen dieser Arbeit und der Erinnerungen, die sie auslöste, gewesen sein mögen.

Es geht dabei nicht nur darum, über die besonders grausame Zeit seines Lebens zu berichten, die Verfolgung in Österreich, die Flucht nach Belgien, das Entkommen nach Frankreich, die Jahres des Lebens im Verborgenen, die Festnahme, die Deportation mit seiner Mutter und seiner Schwester, die bei ihrer Ankunft in Auschwitz vergast worden sind. Er schildert auch das Familienleben mit seiner Schwester, seinen Eltern und seinen Großeltern und allen anderen, die zu seiner Kindheit in Wien vor dem „Anschluss“ gehörten. Fast aus jeder Zeile seines Berichtes spricht seine Dankbarkeit für das Glück, das sie ihm geschenkt haben. Das Glück hat er im Grunde seines Herzens bewahrt, sicher mit einer gewissen Trauer, aber auch mit einer sehr großen Zärtlichkeit. Es war das einfache Glück eines kleinen Jungen im Schoße seiner Familie, das der Ferien, der langen Spaziergänge, der Naschereien bei den besten Zuckerbäckern. Es war auch die Schule und die Spiele mit seinen Kameraden, oder auch seine geliebte Briefmarkensammlung, an der er so hing, dass er sie heimlich mitnahm, als die Familie Österreich verlassen musste.

Das Unheil, das über seine glückliche Familie hereinbrach, erscheint desto dramatischer. Noch die Erinnerungen, die Jahrzehnte später zusammengetragen wurden, vermitteln die Verblüffung und die Verwirrung, die die völlig assimilierten (angepassten) deutschen und österreichischen Juden angesichts der Verfolgungen befiel.

Von allen diesen Ereignissen spricht Paul Schaffer mit Scharfsicht und ohne Zugeständnisse. Er schreibt ohne Selbstmitleid, nur mit der Sorge und der Pein, die er für die Seinen während der Prüfungen empfand, die der Tragödie vorausgingen.

Die Aufmerksamkeit, die er anderen, mehr als sich selber entgegenbrachte, erstaunt für einen Jungen seines Alters. Auch wenn seine Eltern voller Angst waren, sich verstecken und eine neue häusliche Umgebung schaffen mussten, der kleine Paul beklagt sich nie, er gibt sich nie geschlagen. Er interessiert sich für alles, lernt französisch und tischlern, als er nicht mehr zur Schule gehen kann. Die Beziehungen zu den Bewohnern von Revel, wo die Familie Zuflucht gefunden hatte, begünstigte das sehr. Einige Einwohner dieses kleinen Ortes im Südwesten Frankreichs haben die Familie Schaffer besonders mutig unterstützt. Paul Schaffer streicht heraus, welch wichtige Rolle die französische Polizei spielte. Die Ortspolizisten haben seine Familie verhaftet und waren besonders eifrig, ihn wiederzufinden, nachdem ihm eine kurze Zeit der Freiheit zugestanden worden war.

Wenn es um die guten und die schlechten Erinnerungen an Revel geht, spricht er viel lieber von den guten. Obwohl er nur knapp zwei Jahre in Frankreich gelebt hatte, kehrte er ohne zu zögern dorthin zurück, als er befreit worden war.

Ich habe Paul Schaffer während der Deportation kennengelernt. Ich weiß, das er seine Haltung, die ohne Verachtung und ohne Hass ist, nicht erst seit heute einnimmt. Er hat sie sich nicht für seinen Bericht zurecht gelegt. Sie zeigt seinen wahren Charakter, der sich nie von Gräueltaten, der Gewalt oder den Erniedrigungen des Lagers angezogen fühlte – was den Verdiensten seines Berichtes einen weiteren hinzufügt.

Wir haben uns zum ersten Mal Anfang Juli 1944 in Bobrek getroffen, einem kleinen Außenlager, dass einige Kilometer von Auschwitz-Birkenau, dem riesigen Vernichtungslager, entfernt lag. Es waren ungefähr dreihundert Deportierte, darunter nur etwa dreißig Frauen. Diese waren überwiegend bei Bau- und Planierungsarbeiten eingesetzt, während die Männer generell in der Fabrik arbeiteten. Das Lagergelände war sehr begrenzt, Frauen und Männer hatten die Gelegenheit sich zu treffen, sogar freundschaftliche Beziehungen einzugehen, obwohl das nicht erlaubt war. Diese Beziehungen haben bis heute angehalten, ganz besonders zwischen denen, die aus Frankreich deportiert worden waren.

Paul Schaffer war damals neunzehn Jahre alt. Obwohl er - bevor er im September 1943 nach Auschwitz kam - bereits seit einem Jahr in zwei anderen Arbeitslagern festgehalten worden war, hatte er sich seine menschlichen Qualitäten bewahren können, was ganz außergewöhnlich war. Es stand im schroffen Gegensatz zu der Atmosphäre der Gewalt, die im Lager herrschte. Seine Würde, seine Freundlichkeit gegenüber jedermann, eine gewisse Form von Höflichkeit, erscheint mir noch heute als der schönste Sieg über ein Lagersystem, das darauf ausgerichtet war, uns zu erniedrigen und auf das Dasein von Tieren zu reduzieren.

Sogar als er erfuhr, dass seine Mutter und seine Schwester, wie der größte Teil der Deportierten ihres Transportes, bei ihrer Ankunft in Auschwitz vergast worden waren, überließ er sich nicht dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Er wollte überleben, er hat sich dabei nie selbst erniedrigt, was immer auch geschah, und er hat stets nach Möglichkeiten gesucht, auch den anderen zu helfen. Auf Grund seiner Charakterstärke wusste er, wann der Moment gekommen war, Klugheit und Mut zu beweisen, um manchmal auch riskante Entscheidungen zu fällen, die ihm aber einer größere Chance des Überlebens zu geben schienen.

Alle, die in Bobrek gewesen sind, hatten es dem einen oder anderen glücklichem Umstand zu verdanken, dass sie in dieses Kommando gekommen waren. Für einige war es so, dass ihnen die Zuneigung oder das Mitleid eines der Verantwortlichen des Lagers nutzte, wie es bei mir Fall war. Soweit es Paul Schaffer betrifft, war er es selber, der seine Chance ergriff.

Um das zu erreichen, hatte er bei seiner Ankunft im Lager angegeben, dass er eine Ausbildung als Metallarbeiter hätte und dass er deswegen qualifiziert sei, in einer Fabrik zu arbeiten. Er verhielt sich nicht anders als die Mehrheit seiner Kameraden, die hofften, den schwersten Arbeiten auf diese oder ähnliche Art und Weise zu entkommen. Das mit der Ausbildung war natürlich nicht wahr. Zu dieser Behauptung brauchte Paul Schaffer eine große Portion Geistesgegenwart und Wagemut. Tatsächlich wusste er, dass er einen Test machen musste und dass dieser nicht sehr überzeugend ausfallen würde. Das war ganz offensichtlich der Fall, aber er muss etwas Besonderes an sich gehabt haben, einen Willen zum Leben, eine Gabe, dem Prüfer zu vermitteln, dass er in der Lage sein würde zu lernen.

In unserer kleinen Gruppe von Frauen war ein Mädchen, in das Paul Schaffer sich verliebt hatte. Er schlug ihr während des „Todesmarsches“ vor zu fliehen, weil er sie nicht in der Gefahr zurücklassen wollte. Sie wollte nicht mit ihm gehen, weil sie die Hoffnung hatte, ihren Bruder wiederzufinden, der ebenfalls deportiert worden war. Mit einigen Schwierigkeiten hat Paul Schaffer ihn tatsächlich im Lager Gleiwitz wiedergefunden, wo wir festgehalten wurden, bevor man uns in Züge verlud. Er selber schildert das Idyll mit diesem Mädchen, was mir meinerseits erlaubt, darauf zu sprechen zu kommen und zu sagen, wie sehr wir alle von der Liebe dieser beiden jungen Leute berührt waren. Diese sehr romantische Geschichte zeigte uns, dass selbst im Lager Platz war für reine und uneigennützige Gefühle. Sie löste bei uns allen Träume an die Dinge aus, die in unserem elenden Leben so sehr fehlten.

Als sich im Januar 1945 die sowjetische Armee Auschwitz näherte, wurden wir nach einem langen Gewaltmarsch in Richtung Westen transportiert. Er zögerte nicht, das Risiko auf sich zu nehmen und mit einem Kameraden aus dem Zug zu springen, weil er hoffte, dass er sich bis zur Ankunft der russischen Soldaten verstecken könne. Er wusste wohl, dass er auf der Stelle getötet werden würde, wenn die SS ihn wiederfände oder wenn ihn die Einwohner aus der Umgebung denunzierten. Nach einigen Tagen der Gefahr und des Herumirrens in der Gefechtszone wurde er befreit.

So entkam er mehreren Tagen des Transportes in offenen Waggons bei eisiger Kälte, in denen viele Deportierte an Hunger und Erschöpfung starben. Diese Flucht, die von der Mehrheit als zu riskant eingeschätzt wurde, verminderte die Dauer seiner Deportation um einige Monate, während Typhus und Hunger eine große Zahl von Deportierten noch ganz kurze Zeit vor dem Ende des Krieges dahinrafften. Dort wo einige zögerten oder zurückschreckten, hatte er den Instinkt sich zu sagen: „Ich habe eine Chance. Jetzt. Gleich. Ich muss sie nutzen.“

Der Bericht von Paul Schaffer endet nicht mit der Befreiung und der Rückkehr. Kaum in Frankreich angekommen, traf ihn der Schmerz zu erfahren, dass sein Vater im Krankenhaus von Revel gestorben war - kurz nach der Deportation seiner Frau und seiner Kinder. Von den Schwierigkeiten der folgenden Jahre, seinem Willen zu lernen und etwas zu unternehmen, spricht er wenig. Es war gewiss ein langer und schwieriger Weg für ihn in Frankreich, ohne Eltern und Verwandtschaft, ohne Beziehungen, ohne Geld, ohne Berufsausbildung, von Zeugnissen ganz abgesehen.

Er sagt nicht, wie viel Energie und Mut es ihm abverlangte, sich in einem Land einzugliedern, dass er nur durch das Leben in einer kleinen Stadt kannte. In Toulouse ließ er sich zum Ingenieur ausbilden. Die Ausbildung schloss er in einer Einrichtung der ORT (Organisation, Reconstruction, Travail – einer Hilfseinrichtung der Nachkriegszeit) ab. Er blieb dort einige Jahre als Lehrbeauftragter. Weil er sehr begabt war, hätte er eine Karriere in der Lehre machen können. Aber er war sich seiner Fähigkeiten bewusst und wünschte eine Anstellung, in der er mehr Verantwortung übernehmen konnte. Als Angestellter in einem kleinen Betrieb mit etwa zwanzig Mitarbeitern wurde er schnell Mitinhaber, später Chef des Unternehmens.

Als er dreißig Jahre später die Firma verkaufte, beschäftigte die Fabrik dreihundert Arbeiter und war eine der modernsten und wichtigsten Anlagen in ihrem Geschäftsbereich. Nicht ohne Bedauern traf er die Entscheidung, sich von dem zu trennen, was er in jahrelanger Arbeit mit einem ihm sehr gewogenen Mitarbeiterstab geschaffen hatte, aber er dachte an seine Familie und wollte sich auch anderen ihm wichtigen Dingen widmen, mit denen er sich bislang nicht so intensiv hatte beschäftigen können, wie er es sich gewünscht hatte.

Im Rahmen der Französisch-Israelischen Gesellschaft, deren stellvertretender Vorsitzender er geworden ist, arbeitet er inzwischen für die Freundschaft zwischen diesen beiden Ländern. Er verbindet so die Liebe, die er seiner Wahlheimat Frankreich entgegenbringt mit dem Glauben an Israel, dem Land, in dem er sich eigentlich nach der Rückkehr von der Deportation hatte niederlassen wollen.

Darüber hinaus beansprucht die Beschäftigung mit der Erinnerung an die Deportation und die Shoah seine Zeit. Er ist aktiv in verschiedenen Zusammenschlüssen von Deportierten. Als Zeitzeuge stellt er sich immer häufiger Bildungseinrichtungen zur Verfügung, damit die neuen Generationen, die jene Ereignisse nicht selber miterlebt haben, sie zur Kenntnis nehmen und wissen, was vorgefallen ist.

Aus diesen Begegnungen mit jungen Menschen ergibt sich für ihn selber eine große Bereicherung. Paul Schaffer weiß, wie er Aufmerksamkeit erhalten, mit Gefühlen umgehen sowie vertrauensvolle Beziehungen und ganz außergewöhnliche Freundschaften eingehen kann. Es ist eine herausfordernde und schwierige Aufgabe. Für alle ehemaligen Deportierten ist es heikel, von einer Vergangenheit, die schmerzhaft bleibt, zu berichten und dabei den richtigen Ton zu treffen, der die grausame Wirklichkeit schildert, ohne dass die jungen Seelen Schaden nehmen.

Wie spricht man über Ereignisse, die notwendigerweise sehr lange zurück zu liegen scheinen, wo doch das Fernsehen jeden Tag neue Konflikte und Tragödien auf diesem Planeten zeigt? Wie macht man den Schülerinnen und Schülern die Besonderheit der Shoah verständlich und wie hilft man ihnen daraus eine Lehre für heute zu ziehen, ohne der Vergangenheit Unrecht zu tun? Die Nüchternheit und die Wahrhaftigkeit des Berichtes von Paul Schaffer verleiht ihm eine besondere Qualität des Gefühls. Die Botschaft, die er verkündet, gewinnt dadurch nur an Wert.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Paul Schaffer unter seinen erwachsenen Leserinnen und Lesern die gleiche Sympathie und das gleiche Einverständnis finden wird, wie unter den Kindern und Jugendlichen, zu denen er schon so oft gesprochen hat. Den Erwachsenen wie den Jugendlichen zeigt er das Beispiel eines jungen Mannes, der es geschafft hat, dem Unglück zu widerstehen, den Erniedrigungen und den Leiden des Lebens im Konzentrationslager, und der obendrein ein guter Mensch geblieben ist.

Für das Bild, das er von den ehemaligen Deportierten zeichnet, das Vertrauen in die Menschlichkeit, das er zu bewahren gewusst hat, sei ihm gedankt.